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Notiz 65: Erhörte Gebete?

Wessen Gebete sind da wohl erhört worden, und von wem? Die Macht dessen, der jetzt gerade, Ende Mai 2011, eine „disfatta“ (so die Zeitung la Repubblica) eingefahren hat, eine „vernichtende Niederlage“, bei den landesweiten Kommunal- bzw. Regionalwahlen, die Macht dieses Silvio Berlusconi also schien doch selbst jene noch zu übertreffen, die der Herr des Himmels mit seinem Zentralkomitte im Vatikan und dessen – derzeit sehr deutschen – Generalsekretär auf Erden besitzt, zumindest noch immer hier in Italien. Unvorstellbar deshalb gerade für diesen Cavaliere selbst, dass in „seinem“ Mailand, seiner Geburtsstadt, die er jahrzehntelang zur Mehrung seines inzwischen gigantischen Reichtums verungestaltet hat, nicht wie seit nunmehr 18 Jahren die Rechte das Sagen haben könnte, sondern der Kandidat der Linken. „Kein Hirn“ habe, so tönte er im Wahlkampf, wer so einen wähle, der Mailand zu einer „Zigeunerstadt“ machen werde, zu einer „islamistischen Metropole“ (diesen Sarrazinnober kennt man ja auch in der BRDDR).

Aber alles vergeblich. Sogar der geballte Einsatz seiner Medienmacht: kurz vor den Stichwahlen – der PD-Kandidat lag nach dem ersten Wahlgang mit 48 % sechs Punkte vor der amtierenden Bürgermeisterin – okkupierte Berlusconi (regelwidrig) auf fünf Sendern in den Hauptnachrichten am Abend minutenlang den Spitzenplatz für eine Propagandashow; und ein von ihm bestellter Kameramann filmte ihn, als er beim G8-Gipfel in Deauville einem offenbar zur Fassungslosigkeit versteinerten Barack Obama ernsthaft einreden wollte, dass in Italien eine „Diktatur“ herrsche, der „linken Justiz“.

Trotz alledem, trotz auch einer zersplitterten Opposition ohne klares Programm und ohne profilierte Figuren: es gibt noch – oder wieder – Hoffnung. Zwar haben diese Wahlen nichts geändert an den Machtverhältnisse in Rom, dort hat der Cavaliere immer noch die Mehrheit des Parlamentes hinter sich. Die aber bröckelt und sie wird weiter bröckeln. Immer deutlicher wird für alle sichtbar, dass der zentrale Punkt seines Regierungsprogramms nur und allein er selber ist, vor allem sein Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung; noch laufen ja vier Prozesse gegen ihn. Und sichtbar geworden ist jetzt auch in diesen Wahlen, dass eine Mehrheit der Italienerinnen und Italiener die Nase voll hat von ihm. 

Die kommenden Wochen, Monate, Jahre werden nicht leicht sein. Die Wirtschaft des Landes ist ziemlich marode, die Vorsitzende des italienischen Unternehmerverbandes Confindustria, Emma Marcegaglia, hat gerade von „zehn verlorenen Jahren“ gesprochen, vieles ist bereits kaputt gemacht worden durch den sich krebsartig ausbreitenden „Berlusconismo“. Und womöglich ist Italien, nach Irland und Griechenland, auch bereits im Visier der Schock-Strategen (Empfehlung zur Lektüre: Naomi Klein, Die Schock-Strategie).

Zurück zur Frage vom Anfang: wenn es denn wirklich erhörte Gebete gewesen sein sollten, dann gibt es noch für ziemlich lange Zeit keinen Grund, damit aufzuhören. Aber einen Grund zu feiern gab es gerade – und das haben wir mit italienischen Freundinnen und Freunden auch getan. Und einen Grund, mit Hoffnung und einem neuen Optimismus nach vorn zu blicken, gibt es auch.

Anfang Juni 2011