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Notizen (32): Dass früher alles besser war…

Dass früher alles besser war, wussten die Alten schon immer. Also weiß ich es heute auch. Und meine Kinder werden, wenn ich es nach einem passenden einleitenden Seufzer ausspreche, mild lächelnd schweigen oder sich vielleicht aufregen. So wie ich vor Jahrzehnten, wenn ich diesen Satz von meiner Mutter oder meinem Großvater hörte. Also behalte ich es lieber für mich.

Es zu sagen bringt ja auch genau so viel wie die Feststellung, dass ein deutscher Ex-Regierungschef – genau: der mit den gerichtsbestätigt ungefärbten Haaren – als Jusochef schon genau so ehrlich und anständig war wie später als unbeugsamer Friedenskanzler. Die Menschen, die das hören, werden mild lächelnd schweigen oder sich vielleicht auch aufregen. Deswegen wird er trotzdem Ehrenbürger von Hannover und mehrfach überbezahlter Aufsichtsrat im internationalen Gas- und Medienbusiness und gehört damit zu den wenigen Menschen in der neuen BRD, die sagen können, dass heute alles besser ist; für sie.

Für Christen hinwiederum ist der unaufhaltsame Abstieg gottgegeben. Dass in der Sicht von Adam und Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies früher alles besser war, st klar. Und weil sich seither jede Generation einen oder mehrere Schritte weiter von den Wünschen – präziser: Geboten – des Herrn entfernt hat, ist die tiefe Traurigkeit heutiger Paratzeniker oder ProtesTanten und –Onkels ganz nachvollziehbar. Aber: die Zahl der sich als Christ bezeichnenden Menschen nimmt rapide ab und die der wirklichen Christen war eh stets minimal. Selbst wenn ich noch Christ wäre, hätte ich schwere Zweifel, ob ein solcher im Weltmaßstab zur Bewertung der Dinge das Recht hätte.

Und dann lese ich gerade in der SZ vom 2. März 2006 etwas über George Dabbeldu Bush, was mich völlig verwirrt. Ich weiß, dass dieser Mann so christlich denkt, lebt und handelt, dass es nur so scheppert (auf der ganzen Erde). Und nun wird er von der Zeitung zitiert mit dem Satz „Die Welt ist ein besserer Ort geworden.“

Ja wie dann jetzt?? Das ist ja, als würde ein überzeugter, aufrechter Sozialist wie – nein!! Nicht schon wieder Schröder!!! – wie Tony Blair den mehr oder weniger lieben Gott als Zeuge dafür anrufen, dass der Irak-Krieg so jesusmäßig richtig war wie all die anderen Angriffskriege der letzten Jahre. Wie?? Blair hat das tatsächlich….? Is ja n Ding! Jetzt fehlt bloß noch, dass Berlusconi sich mit Jesus himself vergleicht! – Äh – auch schon passiert? Ohne größere Proteste aus Rom, Köln und Mainz? Dann war – entgegen meinem bisherigen Wissensstand – Jesus also kein softer Prae-Hippie mit kryptokommunistischen Flausen im raffaelischen Kopf, sondern ein Milliardär gewordener ehemaliger Kreuzfahrtschiffunterhaltungspianist mit Verbindungen zu P2 und Mafia.

Ach herrje(sus)! Was fange ich mit diesen neuen Erkenntnissen jetzt an? Ist die Welt nun doch ein besserer Ort, obwohl Bush nicht Klavier spielen kann? Hat Schröder am Irakkrieg der Amis doch teilgenommen, obwohl Joschka Fischer nie in den Verdacht geraten ist, sich die Haare zu färben? Wird Berlusconi wiedergewählt, obwohl Helmut Kohl den Gegenkandidaten Prodi unterstützt?

Fragen über Fragen. Und die Antwort? Das, immerhin, ist klar: die Antwort weiß ganz allein der Wind. Und sie lautet: 42. Oder anders ausgedrückt: früher war alles besser.

6.3.2006